Bodennebel
"Hallo, ich hätte gern eine Packung Felis, Johanniskraut."
Es ist schon spät am Abend, die Apotheke ist voll, draußen ist Bodennebel, passt zu meinem Herzen, die Menschen rennen noch immer im Trubel, nicht aber Jubel oder Heiterkeit, durch die viel zu engen Straßen. Ich war nur kurz unterwegs, mit dem Rad, jetzt aber reicht es mir bereits. Die kalte Luft tut zwar gut, aber die kann ich auch bei offenem Fenster genießen. Und in der eigenen Wohnung muss ich auf niemanden aufpassen außer auf mich selbst.
Die junge Frau hinter der Theke lächelt verständnisvoll und geht nach hinten. Ich bin froh, dass sie nichts weiter sagt, zu viele Menschen hier in dem Neonlicht, direkt neben und hinter mir, schon allein der Name Johanniskraut kam nur zögernd aus meinen Stimmritzen.
Als sie wiederkommt hat sie eine Riesenpackung in der Hand , 100 Stück, ich rechne nach, das sind ja über drei Monate, da wollte ich längst in der Sonne sein, ohne orale Stimmungsaufheller.
"Ist Ihnen die Packung zu groß?"
"Was kostet die denn?"
"23,50Euro."
"So ein Mist" denke ich. Nochmal nachrechnen, tut sich nichts am Preis.
"Dann nehm ich doch lieber die kleine Packung."
Hinter mir klingelt erneut die Türglocke, ich kann die nasse Kleidung der Menschen riechen und muss meine Übelkeit unterdrücken. Riecht nach feuchtem Cordanzug, denke ich noch, als mich die Stimme der Verkäuferin erneut aus meiner Phantasie reißt.
"Die muss ich leider bestellen, für morgen."
"Hm."
Ich nehme ein leises Schnaufen von rechts wahr.
"Gut, dann nehme ich eben die große Packung."
"Nehmen Sie die Pille?"
Laut, das war laut, viel zu laut. Wen interessiert es hier eigentlich, ob ich mit 31 die Pille nehme oder dass ich zur Zeit auf jeglichen Verkehr dankend verzichte?
"Äh, nein."
"Gut, weil ansonsten hätte ich Ihnen sagen müssen, dass..."
Und sie sagt es. Der junge Typ hinter mir, der auch noch gut aussieht, verlagert sein Gewicht aufs andere Bein und schaut auf sein Handy. Er hat keine Zeit mehr oder er will mich über diese Peinlichkeit retten, denke ich.
Und wieder die Stimme der Apothekenfrau.
"Bitte aufpassen, wenn Sie unter die Sonnenbank gehen, das kann Flecken geben."
Wusste ich schon.
"Gut, danke."
So langsam reicht es mir.
"Warum nehmen Sie eigentlich Johanniskraut?"
Spätestens jetzt wird mir wirklich übel und ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Die letzte Röte in meinem Gesicht ist lange her und so schnell werde ich normalerweise nicht rot. Das will schon was heißen. Ich überlege kurz, ob ich es ihr sagen soll.
"Ich nehme Johanniskraut, weil Bodennebel liegt. Und dazu ist es noch dunkel." Und gegen Menschen wie Sie.
"Ach so, also einfach nur so zum Chillen?!! Und???"
"Und was?" Tick, tack, eins, zwei, drei, Heuwägelchen, doofer Spruch, klappt auch nur, wenn ich ihn laut ausspreche.
"Hilft es denn?"
"Ehrlich?!" Das scheine ich mit leicht irrem Unterton ausgesprochen zu haben. Oder es war mein Blick durch die zusammengekniffenen Augen. Die Zornesfalte dazwischen? Egal.
Sie zuckt, guckt leicht verunsichert und ziemlich blond in mein Gesicht und dann zu ihrer Kollegin.
"Jetzt grad hilft es ÜBERHAUPT nicht! Mehr."
Ich glaube, diesmal war ich laut.
Sie steht und steht und sagt nichts mehr. Hinter mir geht ein Raunen durch die Menge.
"Hallo? Sind Sie noch da? Wenn ja, dann nehme ich jetzt bitte SCHNELL die große Packung, zahle mit Karte, fahre durch den Bodennebel und suche die Sonne."
Ich habe heute Abend direkt zwei Kapseln genommen. Nur, damit ich beim nächsten Mal in der Apotheke gewappnet bin. Außerdem müssen die ja jetzt weg.
Sonst ist aber alles blande gewesen heute. Entspannt geht die Welt zugrunde. Oder so. Gut so.
Es ist schon spät am Abend, die Apotheke ist voll, draußen ist Bodennebel, passt zu meinem Herzen, die Menschen rennen noch immer im Trubel, nicht aber Jubel oder Heiterkeit, durch die viel zu engen Straßen. Ich war nur kurz unterwegs, mit dem Rad, jetzt aber reicht es mir bereits. Die kalte Luft tut zwar gut, aber die kann ich auch bei offenem Fenster genießen. Und in der eigenen Wohnung muss ich auf niemanden aufpassen außer auf mich selbst.
Die junge Frau hinter der Theke lächelt verständnisvoll und geht nach hinten. Ich bin froh, dass sie nichts weiter sagt, zu viele Menschen hier in dem Neonlicht, direkt neben und hinter mir, schon allein der Name Johanniskraut kam nur zögernd aus meinen Stimmritzen.
Als sie wiederkommt hat sie eine Riesenpackung in der Hand , 100 Stück, ich rechne nach, das sind ja über drei Monate, da wollte ich längst in der Sonne sein, ohne orale Stimmungsaufheller.
"Ist Ihnen die Packung zu groß?"
"Was kostet die denn?"
"23,50Euro."
"So ein Mist" denke ich. Nochmal nachrechnen, tut sich nichts am Preis.
"Dann nehm ich doch lieber die kleine Packung."
Hinter mir klingelt erneut die Türglocke, ich kann die nasse Kleidung der Menschen riechen und muss meine Übelkeit unterdrücken. Riecht nach feuchtem Cordanzug, denke ich noch, als mich die Stimme der Verkäuferin erneut aus meiner Phantasie reißt.
"Die muss ich leider bestellen, für morgen."
"Hm."
Ich nehme ein leises Schnaufen von rechts wahr.
"Gut, dann nehme ich eben die große Packung."
"Nehmen Sie die Pille?"
Laut, das war laut, viel zu laut. Wen interessiert es hier eigentlich, ob ich mit 31 die Pille nehme oder dass ich zur Zeit auf jeglichen Verkehr dankend verzichte?
"Äh, nein."
"Gut, weil ansonsten hätte ich Ihnen sagen müssen, dass..."
Und sie sagt es. Der junge Typ hinter mir, der auch noch gut aussieht, verlagert sein Gewicht aufs andere Bein und schaut auf sein Handy. Er hat keine Zeit mehr oder er will mich über diese Peinlichkeit retten, denke ich.
Und wieder die Stimme der Apothekenfrau.
"Bitte aufpassen, wenn Sie unter die Sonnenbank gehen, das kann Flecken geben."
Wusste ich schon.
"Gut, danke."
So langsam reicht es mir.
"Warum nehmen Sie eigentlich Johanniskraut?"
Spätestens jetzt wird mir wirklich übel und ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Die letzte Röte in meinem Gesicht ist lange her und so schnell werde ich normalerweise nicht rot. Das will schon was heißen. Ich überlege kurz, ob ich es ihr sagen soll.
"Ich nehme Johanniskraut, weil Bodennebel liegt. Und dazu ist es noch dunkel." Und gegen Menschen wie Sie.
"Ach so, also einfach nur so zum Chillen?!! Und???"
"Und was?" Tick, tack, eins, zwei, drei, Heuwägelchen, doofer Spruch, klappt auch nur, wenn ich ihn laut ausspreche.
"Hilft es denn?"
"Ehrlich?!" Das scheine ich mit leicht irrem Unterton ausgesprochen zu haben. Oder es war mein Blick durch die zusammengekniffenen Augen. Die Zornesfalte dazwischen? Egal.
Sie zuckt, guckt leicht verunsichert und ziemlich blond in mein Gesicht und dann zu ihrer Kollegin.
"Jetzt grad hilft es ÜBERHAUPT nicht! Mehr."
Ich glaube, diesmal war ich laut.
Sie steht und steht und sagt nichts mehr. Hinter mir geht ein Raunen durch die Menge.
"Hallo? Sind Sie noch da? Wenn ja, dann nehme ich jetzt bitte SCHNELL die große Packung, zahle mit Karte, fahre durch den Bodennebel und suche die Sonne."
Ich habe heute Abend direkt zwei Kapseln genommen. Nur, damit ich beim nächsten Mal in der Apotheke gewappnet bin. Außerdem müssen die ja jetzt weg.
Sonst ist aber alles blande gewesen heute. Entspannt geht die Welt zugrunde. Oder so. Gut so.
lahoiha - Mo, 18. Dez, 22:55
120 mal durch die Augen ins...